Anästhesie
In der Regel benötigt die Patientin oder der Patient für eine Operation oder gelegentlich auch für komplexe Eingriffe und Untersuchungen eine Anästhesie. Die Anästhesie wird von speziell ausgebildeten Ärztinnen und Ärzten (Anästhesisten) durchgeführt.
Kontakt
Dem Anästhesisten steht immer eine Anästhesie-Fachschwester oder ein Anästhesie-Fachpfleger zur Seite. Das bedeutet größte Sicherheit für den Patienten.
Rechtzeitig vor der Operation wird ein Anästhesie-Aufklärungsgespräch in unserer Anästhesie-Ambulanz geführt. Ein Anästhesist sichtet die Krankenunterlagen, untersucht den Patienten und bespricht dann mit ihm das für ihn geeignete Anästhesieverfahren.
Dieses Gespräch wird im Rahmen der prästationären Untersuchungen und bei Patienten, die ambulant operiert werden, mehrere Tage vor der geplanten Operation geführt. Bei stationären Patienten findet das Gespräch in der Regel am Tag vor der Operation statt. Sollte der Patient bettlägerig oder zu krank sein, kommt der Anästhesist zum Aufklärungsgespräch selbstverständlich ans Krankenbett.
Vollnarkose
Viele Operationen, gelegentlich auch Kathetereingriffe oder komplexe Untersuchungen, werden in Allgemeinanästhesie (Vollnarkose) durchgeführt – der Patient schläft während des Eingriffes.
Die Ausschaltung des Bewusstseins erfolgt durch die Gabe moderner, gut steuerbarer und gut verträglicher Narkosemittel, die entweder der Beatmungsluft beigemischt werden (Inhalationsanästhesie) oder intravenös verabreicht werden (totale intravenöse Anästhesie –TIVA). Gelegentlich kommt auch ein Muskelrelaxans zum Einsatz, das das sichere Einführen eines Beatmungstubus in die Luftröhre nach Einleitung der Anästhesie erleichtert und dem Operateur aufgrund der Muskelerschlaffung des Patienten gute Operationsbedingungen verschafft. Grundsätzlich sorgt der Anästhesist bei jeder Operation für eine umfassende Schmerzausschaltung.
Die aufeinander abgestimmte Gabe von Narkosemittel, Schmerzmedikamenten und eventuell eines muskelerschlaffenden Mittels (Muskelrelaxans) wird balancierte Anästhesie genannt. Gerade für kürzere Operationen sowie bei Eingriffen, bei denen es nicht zu einer Öffnung einer Körperhöhle kommt, ist eine Intubation meist nicht erforderlich. Stattdessen wird nach Einleitung der Narkose eine speziell geformte Maske (Larynxmaske) in den Mund eingeführt. Über diese Maske kann der Patient künstlich beatmet werden oder auch in Narkose selbst atmen.
Falls die chirurgische Intervention dagegen eine Intubationsnarkose verlangt, ermöglichen heutige Narkosegeräte gleichwohl eine schonende und an den Zustand des Patienten angepasste Beatmung, die häufig mit der Zuführung sehr geringer Narkosegasmengen auskommt. Experten sprechen von Niedrigflussnarkose oder auch Low-Flow-Anästhesie. Prinzip dabei ist, dass die Narkosegase nicht bei jedem Atemzug komplett ausgetauscht werden, sondern die ausgeatmeten Gase über sogenannte Rückatmungssysteme teilweise wieder zurück in die Lungen strömen. Dies hat den Vorteil, dass dem Patienten weniger Feuchtigkeit und Wärme über die Ausatmungsluft entzogen werden. Auch die natürliche Funktion der Atemwegsschleimhaut bleibt dadurch besser erhalten.
Intubationsnarkose
Bei größeren Operationen, insbesondere auch in der Herzchirurgie wird die Allgemeinanästhesie als Intubationsnarkose durchgeführt: nach Narkoseeinleitung wird ein Beatmungstubus in die Luftröhre eingeführt, über den der Patient während der Operation und, falls erforderlich, im Anschluss an die Operation auf der Intensivstation künstlich beatmet werden kann. Das Einführen des Tubus in die Luftröhre wird Intubation genannt.
Larynxmaskennarkose
Für kürzere Operationen oder bei Operationen, bei denen es nicht zu einer Eröffnung einer Körperhöhe kommt, ist die Intubation meist nicht erforderlich. Stattdessen wird nach Einleitung der Narkose eine speziell geformte Maske (Larynxmaske) in den Mund eingeführt. Über diese Maske kann der Patient künstlich beatmet werden oder auch in Narkose selbst atmen.
Low-Flow Anästhesie
Modernste Narkosegeräte ermöglichen nicht nur eine schonende und patientenangepasste Beatmung, sondern sie erlauben es auch, mit sehr geringen Frischgasflüssen (low flow) sicher und zuverlässig das Narkosegas zuzuführen.
Regional- und Leitungsanästhesie
Bei vielen Operationen genügt es, die Schmerzempfindungen in dem Bereich des Körpers auszuschalten, in dem operiert wird. Dies gilt besonders bei Operationen am Arm, an der Hand, Hüfte, am Knie oder am Fuß. Der Anästhesist wird dann eine Regional- oder Leitungsanästhesie vorschlagen. Man kann dadurch auf eine Vollnarkose verzichten.
Gelegentlich werden Allgemein- und Regionalanästhesie auch kombiniert: zum Beispiel wird bei einem größeren Eingriff im Bauchraum eine Allgemeinanästhesie durchgeführt, gleichzeitig wird über ein vor der Narkose-Einleitung gelegter Periduralkatheter die Schmerzausschaltung vorgenommen (Kombinationsnarkose).
Unter Regionalanästhesie werden die Periduralanästhesie, die Spinalanästhesie und die Plexusanästhesie zusammengefasst. Bei einer Leitungsanästhesie werden bestimmte Nerven, zum Beispiel am Bein oder Arm, durch Einspritzen eines Lokalanästhetikums betäubt (Nervenblockade).
Plexusanästhesie
Unter einer Plexusanästhesie versteht man die Betäubung eines Nervengeflechts (Plexus). Aus solchen Geflechten gehen unter anderem die einzelnen Nerven der Arme und Beine hervor – für Operationen an den Extremitäten ist eine Plexusanästhesie daher oft ausreichend. So kann beispielsweise ein Lokalanästhetikum im Bereich der Axel oder des Schlüsselbeins in den Armplexus und im Bereich der Leiste in das Nervengeflecht für das Bein gespritzt werden, um eine Schmerzausschaltung zu erzielen.
Eine Plexusanästhesie erfolgt gezielt unter Ultraschallkontrolle. Zusätzlich kommt ein spezieller Nervenstimulator zum Einsatz, mit dem der Anästhesist durch leichte elektrische Impulse die Nerven reizen und die jeweils resultierenden Muskelzuckungen beobachten kann. Dadurch weiß der Arzt, wann er die optimale Stelle gefunden hat, um eine bestimmte Nervenleitung zuverlässig zu betäuben. Dort wird das Anästhetikum entweder einmalig injiziert („Single-Shot-Technik“), oder der Anästhesist führt einen dünnen Katheter für eine längerfristige Schmerzausschaltung ein (kathetergestützte Regionalanästhesie).
Spinalanästhesie
Das Rückenmark ist von einer Hülle aus Rückenmarkshäuten (Hirnhäuten) umgeben und wird darin von Nervenwasser, dem sogenannten Liquor, umspült. Bei einer Spinalanästhesie werden wenige Milliliter eines Lokalanästhetikums über eine dünne Nadel, die im Bereich der Lendenwirbelsäule eingeführt wird, in den Liquorraum (Raum, in dem sich Gehirnflüssigkeit – Liquor – befindet)injiziert. Innerhalb von wenigen Minuten ist die untere Körperhälfte vollkommen gefühllos.
Unter Spinalanästhesie können problemlos und völlig schmerzfrei Operationen im Bereich der Beine (z.B. Hüft- und Knie-Operationen), aber auch eine offene Leistenbruch- oder eine Hämorrhoiden-Operation durchgeführt werden. Die Spinalanästhesie ist darüber hinaus das sicherste und schonendste Anästhesieverfahren für einen Kaiserschnitt.
Periduralanästhesie
Für eine Periduralanästhesie wird ein dünner Katheter (Periduralkatheter - PDK) unter Lokalanästhesie in den sogenannten Periduralraum eingeführt. Dabei handelt es sich um einen feinen Spalt zwischen äußerer Rückenmarkshülle und Wirbelkanal, der Blutgefäße, Fett und Bindegewebe enthält und dem Rückenmark quasi als Polsterung dient. Durch den Periduralraum ziehen die aus dem Rückenmark austretenden Nervenwurzeln hindurch, an denen das Anästhetikum wirkt.
Der Katheter wird vor Einleitung der Allgemeinanästhesie gelegt und kann dann über mehrere Tage nach der Operation zur Schmerzbekämpfung genutzt werden. Über eine vom Arzt programmierte, kleine tragbare Pumpe wird eine bestimmte Menge eines Lokalanästhetikums über diesen Katheter abgegeben und führt zu einer sicheren und hervorragenden Schmerzausschaltung. Sollte die Schmerzausschaltung nicht ausreichen, kann der Patient kann über einen Knopf einen zusätzlichen Bolus vom Gerät abrufen (patienten-kontrollierte Analgesie – PCA).
Überdosierungen sind ausgeschlossen, da die Pumpe nach Abgabe eines Bolus zunächst für 20 Minuten gesperrt ist. Diese Methode ist die effektivste und nebenwirkungsärmste Schmerztherapie nach größeren Eingriffen im Bauchraum und nach Thoraxeingriffen. Besonders erfolgreich ist der PDK in der Geburtshilfe beim Einsatz zur Linderung des Geburtsschmerzes.
Monitoring während der OP
Der Arbeitsplatz des Anästhesisten (Foto) wird oft mit dem Cockpit eines Flugzeuges verglichen. Neben dem Narkosegerät finden sich Monitore zur Überwachung und nicht selten auch ein Ultraschallgerät, mit dessen Hilfe der Anästhesist vor Beginn der Operation Gefäßkatheter einführen, eine Regionalanästhesie durchführen, während der Operation die Herzfunktion beurteilen und nach herzchirurgischen Eingriffen das Operationsergebnis überprüfen kann.
Die Überwachung eines Patienten durch den Narkosearzt während der Operation umfasst grundsätzlich die Kontrolle der Herz-Kreislauf-Funktion (Herzströme und Blutdruck), des Sauerstoffgehaltes im Blut und der Beatmungsparameter. Dieses sogenannte Basismonitoring ist ein unverzichtbarer Standard für die sichere Durchführung chirurgischer Interventionen. Bei komplexeren Operationen ober bei schwerkranken Patienten wird der Blutdruck nicht wie sonst über eine am Oberarm angebrachte Blutdruckmanschette gemessen, sondern „online“ und Herzschlag für Herzschlag über einen üblicherweise in die Hangelenksschlagader (Arteria radialis) eingebrachten kleinen Katheter.
Des Weiteren wird die Herzauswurfleistung mittels eines sogenannten Pulmonaliskatheters gemessen, sowie die Narkosetiefe und die Sauerstoffversorgung des Gehirns (erweitertes Monitoring). Häufig kommt auch die transösophageale Echokardiographie (TEE) zum Einsatz: über eine in die Speiseröhre eingeführte Ultraschallsonde lassen sich exzellente Bilder des schlagenden Herzens, der Herzklappen, der großen Brustschlagader und der oberen Hohlvene machen. Alle Anästhesisten und Intensivmediziner an unserem Zentrum sind in der Technik ausgebildet.
Postoperative Überwachung
Nach einer Operation wird der Patient in den sogenannten Aufwachraum verlegt. Von einer erfahrenen Pflegekraft werden Blutdruck, Puls, Atmung und Sauerstoffsättigung überwacht. Sollten Schmerzen oder sonstige Beschwerden wie Übelkeit und Erbrechen auftreten, werden diese umgehend behandelt. Wenn der Patient kreislaufstabil und beschwerdefrei und die Narkose vollkommen abgeklungen ist, erfolgt die Verlegung auf die Station.
Die Dauer der Überwachung im Aufwachraum reicht von wenigen Minuten bis zu mehreren Stunden und richtet sich nach den individuellen Bedürfnissen des Patienten. Nach größeren Operationen wie z.B. Operationen am Herzen und nach großen Eingriffen im Bauchraum oder bei schweren Begleiterkrankungen wird der Patient in Regel direkt auf die Intensivstation aufgenommen.