Intensivmedizin
Schwer erkrankte Patientinnen oder Patienten nach komplexen chirurgischen Eingriffen benötigen intensive Überwachung, Behandlung und Pflege. Die Intensivstation verfügt über die entsprechende personelle, technische und fachliche Ausstattung.
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Ein Großteil der auf der Intensivstation tätigen Pflegekräfte hat zusätzlich zur Krankenpflegeausbildung eine Zusatzausbildung („Pflege in der Intensivmedizin“) durchlaufen. Ebenso haben viele Ärzte auf der Intensivstation neben ihrer Facharztanerkennung eine Zusatzbezeichnung („Intensivmedizin“) erworben.
Intensivmedizin mit modernster Technik ermöglicht es, auch komplexeste Krankheitsbilder erfolgreich zu behandeln.
Beatmung
Eine künstliche Beatmung ist dann erforderlich, wenn der Patient aufgrund seiner Erkrankung nicht selbstständig atmen kann, seine Lunge nicht ausreichend Sauerstoff aufnehmen oder Kohlendioxid abatmen kann oder eine Weiterführung der Narkose oder Sedierung erforderlich ist, um die zugrunde liegende Erkrankung zunächst ausreichend behandeln zu können. In der Regel befindet sich ein Beatmungstubus oder eine Trachealkanüle in der Luftröhre des Patienten, über die er mit einem Beatmungsgerät verbunden ist.
Unsere modernen Beatmungsgeräte erkennen eigene Atembemühungen des Patienten und unterstützen diese, so dass in der Aufwach- oder in der Entwöhnungsphase vom Beatmungsgerät der Patient schonend und auf seine individuellen Bedürfnisse angepasst vom Beatmungsgerät unterstützt wird und er schrittweise die Atemarbeit wieder selbst übernehmen kann.
Bei manchen Krankheitsbildern oder nach Entfernen des Tubus im Anschluss an eine Phase der Beatmung ist es oft sinnvoll, den Patienten über eine nicht-invasive Beatmung (NIV) zu unterstützen. Er erhält eine speziell geformte Gesichtsmaske oder auch eine Art Helm, übe die er vom Beatmungsgerät in seiner Atemarbeit unterstützt wird.
Hochmotivierte Pflegekräfte, engagierte Physiotherapeuten und ein kompetentes Ärzteteam kümmern sich rund um die Uhr um die Patienten auf der Intensivstation.
Tracheotomie
Muss ein Patient über längere Zeit beamtet werden oder ist die Entwöhnung vom Beatmungsgerät schwierig, ist es sinnvoll, für eine gewisse Zeit eine Tracheotomie (Luftröhrenschnitt) anzulegen. Der Patient ist dann über eine an der Vorderseite des Halses in die Luftröhre eingelegte Kanüle mit dem Beatmungsgerät verbunden. Nach Anlage des Tracheostomas benötigt der Patient in der Regel keine sedierenden Medikamente mehr. Er kann nach Überprüfung des Schluckaktes (Schluck-Diagnostik) essen und trinken und aktiv an seiner Mobilisation teilnehmen.
Bei über 90% aller Patienten wird eine sogenannte Minitracheotomie angelegt, die im Bett auf der Intensivstation durchgeführt wird. Hierbei wird unter Sichtkontrolle mittels eines in die Luftröhre eingeführten Bronchoskopes die Luftröhre zunächst mit einer dünnen Nadel punktiert und und diese Punktion mit Hilfe eines speziellen Instrumentes schonend aufgeweitet, so dass dann eine Trachealkanüle in die Luftröhre eingeführt werden kann. Dieser kleine und schonende Eingriff wird in Vollnarkose durchgeführt. Nach erfolgreicher Entwöhnung des Patienten vom Beatmungsgerät wird die Trachealkanüle entfernt und die Öffnung in der Luftröhre verschließt sich von alleine innerhalb von 48 Stunden. Es bleibt eine allenfalls zwei cm lange, kleine Hautnarbe zurück.
Bei manchen Patienten muss ein chirurgisches Tracheostoma angelegt werden. Diese wird vom Chirurgen im OP-Saal durchgeführt. Hierbei wird die Luftröhre zunächst chirurgisch freigelegt und dann eröffnet. Mit entsprechenden Haltenähten wird die Luftröhrenwand fixiert, so dass sich das Tracheostoma nicht spontan verschließen kann.
Das reibungslose Zusammenwirken verschiedener Fachdisziplinen und Berufsgruppen sind der Schlüssel zum Erfolg in der Intensivmedizin.
Intraaortale Ballonpumpe (IABP)
Bei Patienten mit einer Herzschwäche kann die IABP eine große Hilfe sein. Die Ballonpumpe ist die einfachste Form der mechanischen Herz-Kreislauf-Unterstützung. Dabei handelt es sich um einen Spezialkatheter, der über ein Blutgefäß in der Leiste bis in die Körperhauptschlagader in der Brust vorgeschoben wird. An der Spitze des Katheters befindet sich ein circa 15 Zentimeter langer Ballon. Computergesteuert pumpt sich der Ballon nach jedem Herzschlag kurz auf.
»Technik in der Intensivmedizin ist wichtig – im Mittelpunkt steht aber immer der Patient.«
Durch den Ballondruck verbessert sich dabei die Durchblutung der Herzkranzgefäße. Noch vor der nächsten Herzaktion lässt der Ballon den Druck rasch wieder ab, das Herz wird dadurch entlastet und kann besser arbeiten. Das exakt auf den Herzschlag abgestimmte Pulsieren des Katheterballons wird auch als Ballongegenpulsation bezeichnet.
Damit entlastet und unterstützt er zum einen damit das Herz und führt andererseits zu einer deutlichen Steigerung des Blutflusses in den Herzkranzgefäßen. Die IABP wird häufig schon vor einer geplanten Herzoperation bei Patienten mit einer schweren Herzschwäche eingesetzt, um eine bestmögliche Ausgangssituation für die Operation zu schaffen (präoperative Optimierung).
Technik in der Intensivmedizin ist wichtig – im Mittelpunkt steht aber immer der Patient.
Herz-Lungen-Maschine und ECMO
Die Herz-Lungen-Maschine, wie sie ansonsten auch bei Herzoperationen verwendet wird, bei denen das Herz zeitweise stillgelegt werden muss, kann auch auf der Intensivstation eingesetzt werden. Sie ersetzt zweitweise komplett oder teilweise die Funktion des Herzens und der Lungen.
Über entsprechende Kanülen wird das Blut des Herzens aus dem Körper des Patienten ausgeleitet, über eine künstliche Lunge wird das Blut mit Sauerstoff angereichert und von Kohlendioxid befreit und dann wieder in den Körper zurückgepumpt. Auf der Intensivstation kommt die etwas kleinere Form der Herz-Lungen-Maschine als ECMO (Extracorporale Membranoxygenation) zum Einsatz.
Eine schwere Erkrankung erfordert auch menschliche und psychologische Zuwendung – der Seelsorger und die Psychotherapeutin sind wichtige Mitglieder im intensivmedizinischen Team.
Extrakorporaler Lung-Assist (ECLA)
Kann der Patient über seine Lungen trotz künstlicher Beatmung nicht ausreichend Sauerstoff aufnehmen oder nicht ausreichend Kohlendioxid abgeben, kommt wie auch bei der Herz-Lungen-Maschine eine externe künstliche Lunge zum Einsatz. Das Prinzip dabei ist, dass Blut aus einer großen Vene des Patienten durch ein spezielles Gerät gepumpt wird, welches das Blut mit Sauerstoff anreichert und von Kohlendioxid befreit. Im Gegensatz zur Herz-Lungen-Maschine wird aber bei der ECLA nicht die Herzfunktion ersetzt.
Mit modernster Technologie ersetzen wir die Funktion ausgefallener Organe bis die Krise überwunden ist.
Nierenersatztherapie/Dialyse
Sollten die Nieren des Patienten nicht in der Lage sein, giftige Stoffwechselprodukte oder überflüssiges Körperwasser auszuscheiden, kommt die Nierenersatztherapie zum Einsatz. Mittels hochentwickelter Geräte kann die Nierenersatztherapie (Blutwäsche) kontinuierlich durchgeführt werden (Hämofiltration) oder aber bei Stabilisierung des Patienten stundenweise und alle zwei Tage (Hämodialyse). Oder sie erfolgt ohne Unterbrechung kontinuierlich (Hämofiltration).
Der Vorteil der Hämofiltration liegt darin, dass die allmähliche, kontinuierliche Therapie eine sehr schonende Blutwäsche erlaubt. Die Dialyse ist dagegen in vergleichsweise kurzer Zeit sehr effektiv und bei manchen akut lebensbedrohlichen Krankheitsbildern daher besser geeignet.
Die Einbeziehung der Angehörigen und Freunde in die intensivmedizinische Therapie ist uns wichtig – ihr Besuch ist uns jederzeit willkommen.
Hypothermie-Behandlung
Das Gehirn und alle anderen Organe benötigen deutlich weniger Sauerstoff, wenn es zu einer Unterkühlung (Hypothermie) des Körpers kommt. Diesen Effekt machen sich die Ärzte zunutze bei Operationen, bei denen es eventuell zu einem Sauerstoffmangel der körperwichtigen Organe kommen kann, wie z.B. bei komplizierten herzchirurgischen Eingriffen oder Eingriffen, bei denen für kurze Zeit ein kompletter Kreislaufstillstand erforderlich ist.
In der Intensivmedizin wird die Hypothermie-Behandlung, also die gezielte Absenkung der Körpertemperatur, besonders bei Patienten durchgeführt, die wiederbelebt werden mussten (Reanimation). Mittels eines hoch-modernen Gerätes lässt sich die Körpertemperatur des Patienten innerhalb kurzer Zeit bis auf ein Zehntelgrad genau auf die gewünschte Körpertemperatur absenken und nach Beendigung der Hypothermie-Behandlung, die in der Regel 24 Stunden dauert, wieder anheben.
In der Intensivmedizin reflektieren wir unser Handeln nicht nur medizinisch, sondern lassen uns auch durch speziell geschulte Ethikberater beraten.
Sepsistherapie
Eine der häufigsten in der Intensivmedizin anzutreffenden Krankheitsbilder ist die Sepsis. Sie wird in der Regel von in die Blutbahn eingedrungene Krankheitserreger verursacht. Die überschießende Antwort des körpereigenen Abwehrsystems kann dann zum Bild des septischen Schocks (Blutdruckabfall, Mangeldurchblutung lebenswichtiger Organe) führen. Der septische Schock kann sogar dann noch anhalten, wenn mittels hoch-wirksamer Antibiotika die Krankheitserreger bereits abgetötet sind.
Zunächst muss grundsätzlich die Ursache der Sepsis (z.B. Lungenentzündung, Harnwegsinfekt, Wundinfektion, durch Katheter verursachte Infektionen) herausgefunden und saniert werden, Antibiotika müssen gegeben und eine intensive Kreislauf- und Infusionstherapie muss begonnen werden. Bestimmte Laborwerte zeigen an, ob der Patient auf die Therapie anspricht und ob er eventuell eine Abwehrschwäche hat. Dann werden vom Arzt auch Abwehrkörper (Immunglobuline) gegeben.
Neueste Forschungsergebnisse und modernste Therapien werden in der Intensivmedizin täglich in die Praxis umgesetzt.
Künstliche Ernährung
Viele Patienten in der Intensivstation sind so krank, dass sie nicht eigenständig Essen und Trinken zu sich nehmen können. Sie werden künstlich ernährt. Über eine sogenannte Magensonde kann kontinuierlich eine ausgewogene und auf das Krankheitsbild abgestimmte Nahrung zugeführt werden. Sollte das nicht möglich sein, erfolgt die Ernährung über eine balancierte nährstoffreiche Infusionslösung über einen zentralen Venenkatheter. Mit der künstlichen Ernährung wird eine ausreichende Zufuhr ausreichend Kalorien, an Vitaminen und Spurenelementen sichergestellt – immer mit dem Ziel, dass der Patient sobald als möglich wieder normal Nahrung zu sich nehmen kann.
Physiotherapie auf der Intensivstation
In Abhängigkeit von der therapeutischen Notwendigkeit wird die Kontinuität des Behandlungsprozesses u.a. durch eine tägliche Physiotherapeutische Betreuung gewährleistet. Die enge Zusammenarbeit im Team (Ärzte, Pflegepersonal, Therapeuten) ermöglicht eine Abstimmung der Therapie auf die individuellen Bedürfnisse der Patienten.
Basale Stimulation/Kinästhetik
Mit der basal stimulierenden Pflege bieten wir unseren Patienten ein gezieltes Angebot für ihre persönliche Wahrnehmungs-, Entwicklungs- und Kommunikationsfähigkeit. Das Gefühl für Wohlbefinden und Sicherheit kann somit entscheidend gefördert werden. Das Kinästhetik-Konzept beschäftigt sich mit der Wahrnehmung von Bewegung. Ziel ist es hier, dass der pflegebedürftige Mensch möglichst viele Bewegungen selbständig durchführt. Das Kinästhetik-Konzept versteht sich auch als ein Konzept zur Gesundheitsentwicklung. Rückengerechtes Pflegen kann auch eigenen Verletzungen vorbeugen.
Interdisziplinäre Begleitung Schwerstkranker und Sterbender
Schwerkranke Patienten und deren Angehörige haben ein Anrecht auf eine medizinische Behandlung und pflegerische Betreuung entsprechend dem neuesten Stand der Wissenschaft. Sie erwarten aber auch Begleitung, Beratung und Trost. Neben dem ärztlichen und pflegerischen Team stehen hierfür zwei Psychologinnen, der Krankenhausseelsorger und der Diakon zur Verfügung. Auf Wunsch können Seelsorger der gewünschten Konfession gerufen werden.
Intensivmedizin und Schmerztherapie
Dr. med. Georg Fritz, Chefarzt der Abteilung Anästhesiologie, und Katrin Wernecke, Leitende Schwester der Abteilung Anästhesiologie, am Immanuel Klinikum Bernau Herzzentrum Brandenburg über die Arbeit auf der Intensivstation.
Julia Nogli: Radio Paradiso mit Natürlich Gesund. Mein Name ist Julia Nogli, Thema heute Intensivmedizin. Experte am Telefon ist heute Dr. Georg Fritz, Chefarzt der Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie im Immanuel Klinikum Bernau Herzzentrum Brandenburg. Hallo erst mal.
Dr. Georg Fritz: Guten Abend, Frau Nogli.
Julia Nogli: Ja, erst mal allgemein gefragt, was ist Intensivmedizin eigentlich und welche Abstufungen gibt es da?
Dr. Georg Fritz: Intensivmedizin beschreibt den Teil des Klinikums des Krankenhauses, in dem die Patienten versorgt werden, die am kränkesten sind, die eine intensive Überwachung ihrer Herz- und Kreislauffunktion, ihrer Atmungsfunktionen bedürfen. Hier können wir künstliche Beatmung durchführen. Andere Organersatzverfahren wie Dialyse.
Also hier sind die kränksten der Patienten, die eben einer besonders intensiven Therapie und Überwachung bedürfen.
Julia Nogli: Und nun haben wir ja seit einem Jahr nun mittlerweile eine ganz besondere Situation, gerade was Intensivmedizin angeht. Wie man hörte, gibt es da auch dadurch auch noch bestimmte Abstufungen. Was hat das alles für Sie bedeutet für den Standort Bernau?
Dr. Georg Fritz: Vielleicht noch einmal zum Begriff der Abstufung. Ja, in der Tat. Es gibt also einen Ende der Versorgung, eben die Intensivmedizin im eigentlichen Sinne, so wie ich es gerade beschrieben hatte.
Eine Stufe darunter ist die sogenannte Intermediate Care Station. Auch dort können wir Patienten intensiv überwachen. In der Regel sind aber Organersatzverfahren wie eben Beatmung und Ähnliches nicht möglich.
Und dem schließt sich dann eben die Normalstation, wie wir sie ja von unserem Krankenhaus besuchen, üblicherweise auch kennen.
Julia Nogli: Wie viele solcher Plätze haben Sie denn dort in Bernau?
Dr. Georg Fritz: Wir verfügen über 30 Intensivstationsbetten, Plätze, wo wir also wirklich diese klassische Intensivmedizin betreiben können. Und darüber hinaus zum jetzigen Zeitpunkt über 36 sogenannte Intermediate Care Betten.
Julia Nogli: Okay, also was ist dann alles da für Sie angerollt an Veränderungen möglicherweise seit einem Jahr durch die Pandemiesituation?
Dr. Georg Fritz: Wir standen vor der großen Herausforderung, unsere Intermediate Care und Intensivstation aufzuteilen in einen Bereich für Patienten, die mit dem Corona-Virus infiziert waren und sind, also diese Covid-19-Patienten. Und einen Bereich aber noch vorzuhalten für die Patienten, die wir normalerweise auf den Intensivstationen und auf den Intermediate Care-Stationen behandeln. Also Patienten mit Herzinfarkt, Schlaganfall, Patienten, die frisch operiert wurden.
Das heißt, wir haben in Bernau, wie auch im Übrigen es geschehen ist in allen anderen Kliniken in Deutschland, eine Aufteilung vorgenommen im Krankenhaus zwischen einem Covid-19-Bereich und einem Nicht-Covid-Bereich.
Julia Nogli: Und mussten Sie da jetzt auch nachrüsten? Ja, offenbar, wenn es jetzt sind ja mehr Plätze geworden und überhaupt diese ganze Aufteilung auch, was die Intensivpfleger und Pflegerinnen angeht?
Dr. Georg Fritz: Nun, diese Trennung in einen Covid-Bereich, Corona-Bereich, Nicht-Corona-Bereich, das erforderte natürlich einen erheblichen logistischen Aufwand. Es mussten Schleusen gebaut werden. Es mussten Bereiche gebaut werden oder vorgehalten werden, in denen dann noch mal ganz besonders strenge krankenhaushygienische Maßnahmen dann auch realisiert werden konnten.
Wir mussten die Teams trennen, weil wir ja dafür Sorge tragen mussten, dass der Arzt, die Ärztin, die Covid-Patienten betreut, nicht auch in einem anderen Teil des Krankenhauses tätig ist. Dasselbe geht natürlich auch für die Krankenschwester, für den Pfleger. Also das heißt, wir mussten die Teams streng aufteilen, um da auch keine Vermischung zu schaffen.
Julia Nogli: Wie für alle Kliniken, vor allem solche mit Intensivmedizin, also ein Ausnahmejahr mit großen Anstrengungen wegen der Pandemie. Details zur Behandlung von Covid-19-Patienten zum sogenannten künstlichen Koma und zur Entwicklung in den letzten Monaten auch gleich mehr von Chefarzt Dr. Georg Fritz hier in Natürlich gesund auf Radio Paradiso. Angenehmen Dienstagabend.
Sie hören Radio Paradiso mit Natürlich gesund. Mein Name ist Julia Nogli. Ich spreche heute mit Dr. Georg Fritz, Chefarzt Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie im Immanuel Klinikum Bernau Herzzentrum Brandenburg. Unser Thema heute Intensivmedizin allgemein und vor allem auch jetzt in Zeiten der Pandemie. Herr Dr. Fritz, Sie sagten eben, dass Sie auch viele Covid-19-Patienten zu betreuen hatten und haben. Wie sieht da die Behandlung aus?
Was ist zu beachten bei der Betreuung dieser Patienten?
Dr. Georg Fritz: Wir haben ja in den jetzt zwölf Monaten der Pandemie, in den zwölf Monaten Covid-19 enorm viel gelernt. Diese neue Erkrankung ist es ein neues Virus. Es ist auch eine neue Erkrankung.
Und wir wissen jetzt nach zwölf Monaten viel mehr über das Virus. Wir wissen viel mehr über Krankheitsverläufe. Auch Behandlungen haben sich verändert.
Was aber die Pflege angeht, was die intensivmedizinischen, der intensivmedizinische Aufwand angeht, hat sich nichts verändert. Diese Patienten, die mit einer Covid-19-Patientenerkrankung auf der Intensivstation landen, sind sehr, sehr schwer krank, müssen bei über 50 Prozent der Fälle künstlich beatmet werden. Es gibt Patienten, die nur überleben, wenn man sie einem extra korporalen Kreislauf, also eine Art Herz-Lungen-Maschine anschließt.
Das hat sich nicht verändert in den letzten elf, zwölf Monaten.
Julia Nogli: Wenn ich mal jetzt als Laie nachfragen kann, warum muss man zum Beispiel dieses sogenannte künstliche Koma oft nutzen, was ja auch nicht ohne Nachwirkung manchmal für die Patienten ist? Was bedeutet das eigentlich?
Dr. Georg Fritz: Es gibt Situationen, in denen wir Patienten künstlich beatmen müssen, weil die eigene Lunge nicht mehr sicherstellen kann, dass genug Sauerstoff aufgenommen wird und auch das Kohlendioxid abgeatmet wird. Das heißt, wir müssen den Patienten künstlich beatmen. Wir müssen ihn intubieren.
Das heißt, es wird ein Beatmungsschlauch in die Luftröhre eingeführt und der Patient wird an ein Beatmungsgerät angeschlossen. Das geschieht unter einer Art Narkose oder Sedierung, wie wir das nennen. Und es ist erforderlich, dass der Patient ohne Stress, ohne Angst, ohne Schmerzen diese Prozedur übersteht und dann auch gut mit dem Beatmungsgerät synchronisiert ist.
Mit der Zeit werden wir dann über den kommenden Tage wird dann diese Art der Sedierung dieser Narkose immer wieder neu angepasst. Und wir versuchen, den Patienten möglichst wach, aber wie gesagt, schmerz- und stressfrei zu halten, damit er diese Form der Beatmung dann auch gut erträgt.
Julia Nogli: Mehr auch zu diesem Thema Sedierung und Beatmung in wenigen Minuten hier in der Sendung Natürlich gesund auf Radio Paradiso. Radio Paradiso mit Natürlich gesund. Thema heute Intensivmedizin, vor allem auch in Zeiten der Pandemie.
Experte am Telefon ist heute Dr. Georg Fritz, Chefarzt der Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie im Immanuel Klinikum Bernau Herzzentrum Brandenburg. Sie haben eben erläutert, über 50 Prozent der schwer an Covid-19 Erkrankten müssen künstlich beatmet werden. Nun hört man manchmal, das muss so lange sein, wochenlang.
Das ist dann nicht so gut, oder? Aber dann nicht zu vermeiden, oder?
Dr. Georg Fritz: Wir versuchen, diese Phase, in der wir den Patienten sedieren müssen, möglichst kurz zu halten, weil sie sagten es ja schon in ihrer Frage. Zu befürchten ist, dass über eine eine Sedierung, über eine längere Zeit dann auch sich so etwas entwickelt, dann wie ein Delir mit Albträumen, Verwirrtheitszuständen. Deswegen versuchen wir, diese Phase der Sedierung möglichst kurz zu halten.
Das gelingt uns dann auch dadurch, dass wir den Patienten möglichst rasch vom Beatmungsgerät wieder entwöhnen. Und wenn das nicht gelingt, dann werden wir den Beatmungsschlauch, der zunächst sich über den Mund in der Luftröhre befand, dann zu verlagern direkt in die Luftröhre über einen kleinen Zugang am Hals.
Julia Nogli: Ah ja, okay. Und warum werden die Patienten mit Covid-19 oft auf den Bauch gedreht? Was hat das für eine Bedeutung?
Dr. Georg Fritz: Wir haben die Erfahrung gemacht in den letzten Jahren und Jahrzehnten, dass Patienten mit einer schweren Lungenschädigung davon sehr gut profitieren, wenn sie in Bauchlage beatmet werden. Das führt dazu, dass auch die Lungenabschnitte, die sonst nicht so gut beatmet sind, nämlich die in die rückwärtigen Lungenabschnitte, wenn sie in der Rückenlage, so liegen wir ja normalerweise im Bett, minder belüftet sind, dann in Bauchlage doch noch mal besser belüftet werden. Und wir also Lungenbereiche, Lungenbezirke, dann noch mal besser belüften, die vorher eben minder belüftet waren.
Bauchlagerung. Und die Erfahrung der letzten Monate hat gezeigt, dass besonders Covid-19-Patienten ausnehmend gut in der Regel davon profitieren, wenn wir sie in Bauchlage beatmen.
Julia Nogli: Und dafür einige Druckstellen oder sowas in Kauf nehmen müssen, beziehungsweise das stelle ich mir auch intensiv vor, schon allein jemanden umzudrehen, der vielleicht auch übergewichtig ist. Da braucht man ja auch mehrere Leute dafür, oder?
Dr. Georg Fritz: Die Bauchlagerung, die Umlagerung von der Rücken- in die Bauchlage, bedarf eines guten Teamworks. Da müssen mindestens vier bis fünf eingespielte Krankenpfleger und ein Arzt dabei sein, damit der Patient dann in einem geordneten und sicheren Manöver in die Bauchlage verbracht werden kann. Er muss gut gelagert werden, Stichwort Druckstellen, Stichwort dann Schädigungen eben durch die Bauchlage.
Das kann man sehr gut verhindern mit modernen Lagerungstechniken, mit Hilfsmitteln, entsprechenden Lagerungskissen und so weiter.
Julia Nogli: Sie hören Natürlich gesund heute mit dem Thema Intensivmedizin allgemein und vor allem in der Corona-Pandemie. In ein paar Minuten geht es weiter hier in Natürlich gesund. Mehr Infos zu Dr. Georg Fritz auch hier auf Paradiso.de zum Nachlesen in unserer Mediathek. Radio Paradiso mit Natürlich gesund. Ich bin Julia Nogli. Wir sprechen heute über Intensivmedizin allgemein und vor allem auch in der Corona-Pandemie.
Experte am Telefon ist Dr. Georg Fritz, Chefarzt der Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie im Immanuel Klinikum Bernau, Herzzentrum Brandenburg. Ja, in der Tat ein Ausnahmejahr und das ist leider ja auch noch nicht vorbei. Wie sind Sie so und Ihre Mitarbeiter, Mitarbeiterinnen natürlich auch, wie können Sie das so in etwa zusammenfassen, dieses sehr schwere letzte Jahr?
Dr. Georg Fritz: Nun, wir haben ja eine interessante Entwicklung durchgemacht in den letzten zwölf Monaten. Zum einen haben wir sehr viel gelernt. Zum anderen wurden wir dann zunächst als Intensivmediziner in Pflege und im ärztlichen Bereich im März und April als Helden gefeiert.
Es gab Beifallskundgebungen in den Straßen, in den Balkonen und jetzt, wo die zweite Welle da ist, wo wir in Brandenburg viermal so viele Intensivpatienten hatten Anfang Januar als in der ersten Welle im März und April und in Berlin dreimal so viele als bei der ersten Welle vor einem Monat. Da hat sich das so ein bisschen gewandelt. Wir müssen jetzt viel mehr kämpfen damit, dass wir uns weiterhin gut aufstellen, die Motivation bewahren, immer wieder auch Gespräche aushalten müssen mit Familien, wenn es darum geht, wie gehen wir damit um, Besuchsverbot.
All das sind Dinge, die jetzt doch mehr so auf der Agenda sind als vielleicht dann noch vor zehn Monaten, als die Intensivstationen noch die Helden waren.
Julia Nogli: Also da bedanke ich mich sehr. Das ist eine sehr interessante Sendung, finde ich. Ich kann Ihnen da nur weiterhin viel Erfolg und Gutes durchhalten, vor allen Dingen auch Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Es sind ja sehr viele dort bei Ihnen vor Ort wünschen und uns allen natürlich, dass das irgendwann jetzt doch mal alles wieder abflaut.
Dr. Georg Fritz: Wir sind guter Dinge, dass die Pandemie sich irgendwann auch dem Ende wieder zuneigen wird. Stichwort Impfung, Stichwort wir sehen jetzt gute Effekte, auch das Lockdown. Wir wissen, wie hart das ist für viele Familien, für viele Menschen, die ihrem Beruf nicht so nachgehen können oder sogar vielleicht ihre Stelle verloren haben.
Gewerbetreibende, die Wirtschaft. Aber für uns in den Krankenhäusern ist es ganz wichtig, dass wir jetzt auch mit guten und wohlüberlegten und wohl auch manch harten Maßnahmen sehen, dass die Infektionszahlen zurückgehen. Das führt zu einer deutlichen Entlastung bei uns in den Krankenhäusern und insbesondere auf den Intensivstationen.
Dafür sind wir sehr dankbar.
Julia Nogli: Denn nicht zu vergessen auch die anderen Krankheiten wie schwere Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die gibt es ja natürlich auch weiterhin. Und auch hier werden sie optimal versorgt und behandelt trotz Corona.
Wie alle Ärztinnen und Ärzte mahnt auch Dr. Georg Fritz, sich auch mit solchen Beschwerden oder auch schon bekannten Erkrankungen in Behandlung zu begeben, wenn es nötig ist. Mehr zu Dr. Georg Fritz auch hier auf Paradiso.de Soweit Natürlich gesund. Bleiben Sie gesund und haben Sie einen entspannten Abend mit Radio Paradiso.